Aus Zeitgründen können und wollen wir nicht auf jeden einzelnen der gegen BDS Austria und die BDS-Bewegung insgesamt erhobenen Vorwürfe eingehen. Wir möchten jedoch einige zentrale Punkte aufgreifen.
Seit ihrer Entstehung ist die internationale BDS-Bewegung immer wieder mit Antisemitismusvorwürfen konfrontiert. Dabei ist es für VerteidigerInnen des Apartheidstaats Israel scheinbar legitim, BDS ohne weitere Ausführungen eine “Dämonisierung” Israels, “systematische Verharmlosung terroristischer Organisationen” und die Verwendung antisemitischer Stereotype vorzuwerfen.
Dass vergangenen Sommer in Gaza über 400 Kinder getötet wurden, hat jedoch nichts mit Ritualmordvorwürfen zu tun, sondern ist die traurige Wahrheit. Wenn wir den Staat Israel spätestens nach dem letzten Gaza-Krieg nicht mehr als den “letzten sicheren Hafen” für Jüdinnen und Juden weltweit verstehen, sondern als Apartheid- und Kolonialstaat, der sich auf Kosten der palästinensischen Mehrheit (die besetzte Westbank mitgedacht) ausschließlich um seine jüdische Bevölkerung kümmert, dann ist das kein Antisemitismus, sondern ein korrektes Verständnis von Israel als Besatzer und PalästinenserInnen als besetzte und systematisch diskriminierte Bevölkerung.
Die internationale BDS Bewegung folgt einem Aufruf der palästinensischen Zivilgesellschaft aus dem Jahr 2005, also ein Jahr nach dem historischen Gutachten des Internationalen Gerichtshof (IGH), welches den israelischen Mauerbau in den besetzten palästinensischen Gebieten für illegal befunden hatte. Diese ruft zu Boykott, Investitionsentzug und Sanktionen gegen Israel auf bis es internationalem Recht und den universellen Prinzipien der Menschenrechte nachkommt. Es wird also auch in Zukunft im Namen der BDS-Bewegung keine Aktionen gegen die Türkei, China oder Russland geben. Aus demselben Grund können und wollen wir als BDS Austria keine spontane Stellungnahme zur Situation von palästinensischen Flüchtlingen in arabischen Nachbarstaaten abgeben.
Boykott als Mittel, Druck auf Israel auszuüben, stößt in Europa vielfach auf Kritik und Ablehnung, weil er mit dem Aufruf der Nazis assoziiert wird, jüdische Geschäfte zu boykottieren. Den Nazis ging es um die Zerstörung der Existenzgrundlagen der jüdischen Bevölkerung in Europa und schließlich um deren physische Vernichtung. Nichts liegt der gegenwärtigen BDS-Bewegung ferner als das.
Die BDS-Bewegung ruft zum Boykott israelischer Produkte, Unternehmen und Institutionen wie auch solcher Unternehmen auf, die sich an der Unterdrückung der palästinensischen Bevölkerung beteiligen und die Besatzung und Apartheid Israels stützen. Ein solcher Boykott zielt auf die Überwindung einer politischen Struktur und fragt nicht nach ethnischer oder religiöser Zugehörigkeit. Antijüdische Stereotype und Vorurteile haben daher in dieser Kampagne keinen Platz. Die versuchte Schwarz-Weiß-Zeichnung des internationalen Boykotts gegen Israel geht daher nicht auf. Wer sich im Detail für die allgemeingültigen Richtlinien interessiert, kann sich gerne unter der Rubrik “Kampagnen” auf der englischsprachigen Homepage informieren: http://www.bdsmovement.net/
Der Boykottaufruf der palästinensischen Zivilgesellschaft knüpft politisch an die Bewegung gegen die Apartheid in Südafrika an. Er ist ein friedliches (!) Mittel, um Druck auf politische Instanzen, Institutionen und die Bevölkerung Israels auszuüben, damit die legitimen Rechte der palästinensischen Bevölkerung einschließlich der Flüchtlinge durchgesetzt und Besatzung und Apartheid beendet werden. Apartheid wurde definiert von der UN als “ein System institutionalisierter rassenbasierter Segregation und Diskriminierung mit dem Ziel, die Herrschaft einer bestimmten Personengruppe über eine andere herzustellen und aufrechtzuerhalten, und [die Letztere] systematisch zu unterdrücken.” Der Begriff Apartheid ist keineswegs beschränkt auf Südafrika. Die UN-Definition von 1973 trifft in vollem Umfang auf die Situation in Israel/Palästina mit seinen getrennten Straßennetzen, Buslinien, und Wohnsiedlungen (legal und illegal) nur für Israelis zu und stellt in keiner Weise eine Verharmlosung der Apartheid in Südafrika dar.
In der Tat gibt es jedoch leider immer wieder Personen oder Gruppierungen, die ihren Antisemitismus hinter scheinbarem Antizionismus zu verstecken suchen. Dieser Umstand kann jedoch kein Freischein sein, jegliche anti-zionistische Kritik pauschal als antisemitisch zu diffamieren.
Der aktive Aufruf zum Boykott geschah gerade deswegen auch in Wien nicht leichtfertig. BDS Austria hat sich vor Beginn der Kampagne intensiv mit den Grundsätzen der Bewegung auseinandergesetzt und tut dies weiterhin. Auch ihr seid dazu eingeladen, das zu tun – und euch danach ein eigenes Urteil zu bilden.
Wir appellieren an unsere OpponentInnen und deren potenzielle UnterstützerInnen, ihre Diffamierungskampagne zu überdenken. Legitime Menschenrechtsarbeit sollte, wie bereits von selbigen gefordert, nicht als “Deckmantel” antisemitischer Hetze dienen – und sollte vor allem nicht ohne handfeste Begründung als solche bezeichnet werden. Dem wohl abwertend gemeinten Vorwurf des “antiisraelischen” verwehren wir uns nicht. Israel gibt uns, zuletzt durch die geplante Annektion von weiteren 3,7km² in der besetzten Westbank, Grund genug, unserem Unmut in Bezug auf seine Politik durch gewaltlose Aktionen und Forderungen Ausdruck zu verleihen.
Bereits zu Beginn unserer Arbeit in Wien gab es mit der BaGru PoWi, die sich auch unter den UnterstützerInnen des “Boycott Anti-Semitism”-Bündnisses befindet, eine ähnliche Auseinandersetzung. Interessierte können diese hier nachlesen: https://www.facebook.com/notes/bds-austria/antwort-auf-einen-facebook-beitrag-der-basisgruppe-politikwissenschaften-vom-130/285366061651819
Wir zitieren daraus zum Abschluss:
“Wir sind überzeugt, dass die BDS-Bewegung weiter wachsen und ihre legitimen Ziele erreichen wird. Wir sind zugleich zuversichtlich, dass auch ihr in Zukunft nachvollziehen werdet können, dass Apartheid, Rassismus, Krieg und Besatzung dauerhaft keine Lösung sein können – für niemanden in der Region und damit auch nicht für Juden und Jüdinnen, die der Staat Israel zu schützen vorgibt.”