Am Samstag, 26. Juli 2014 feierte der „Tel Aviv Beach“ vis-à-vis vom Flex und Ringturm in Wien sein vierjähriges Bestehen. Ursprünglich wurde der „Beach“ bereits 2009 zum 100jährigen Jubiläum der Stadt Tel Aviv in Kooperation mit der Stadt Wien und der israelischen Botschaft für nur eine Saison eröffnet. Die Stadt Tel Aviv in Israel wurde zumTeil auf dem Boden folgender zerstörter palästinensischer Dörfer und Stadtteile erbaut, deren Bevölkerung der ethnischen Säuberung zum Opfer fiel: Jaffa, Scheich Munis, Samayl, Jammasin, Al-Gharbi, Salama, Al Manschiya und Mantekat Al-Sayadin.
Während aktuell die Menschen im größten Freiluft-Gefängnis Gaza Nacht für Nacht und Tag für Tag vor den Streu-, Splitter und Phosphorbomben der israelischen Armee fliehen müssen und während der kurzen Feuerpause, in der die Menschen in Gaza ihre Toten bergen und die nötigsten Maßnahmen zum Überleben treffen müssen und während 1.450 PalästinenserInnen in Gaza getötet, mehr als 7.000 verletzt wurden und 240.000 Menschen auf der Flucht sind (Stand 01.08.2014) verkündeten die BetreiberInnen des Tel Aviv Beachs in Wien auf ihrer Website:
„Das Magistrat hat uns ein kleines Geburtstagsgeschenk gemacht. Wir haben einen Sondergenehmigung bekommen & dürfen an diesem Tag lauter Musik spielen!!!!“
Wer die Szene des dokumentarischen Trickfilms „Waltz with Bashir“ des israelischen Regisseurs Ari Folman kennt, in der israelische Soldaten auf einem Partyschiff („Loveboat“) in den Libanonkrieg 1982 schippern, kann die grausige Assoziation nachvollziehen. Selbstverständlich ist der „Tel Aviv Beach“ in Wien kein Kriegsschiff. Dennoch ist dieses Wegdriften von den Bildern und Berichten aus Gaza und der ausgelassenen „Partystimmung auf dem „Tel Aviv Beach“ in Wien zynisches Abbild der Vorstellung, diese Angriffe auf Gaza wären ein fernes „Kriegsgeschehen“ und würde ihre Repräsentation nicht auch hier in Wien finden.
Was hat der „Tel Aviv Beach“ in Wien mit dem Krieg, der Besatzung und der Apartheid in Israel/Palästina zu tun?
Der „Tel Aviv Beach“ in Wien (bei dessen Eröffnung 2009 der israelische Botschafter selbst zu Besuch war) ist Teil der Whitewashing-Strategie des offiziellen Israels. Whitewashing („Weißwaschen“) bezeichnet einen Teil der offiziellen internationalen PR-Kampagne der israelischen Regierung, die der Welt das Bild von Israel als liberaler und westlicher Demokratie vermitteln will. Dazu zählt die offizielle israelische „Hasbara“, in der alle Handlungen der israelischen Regierung und Armee von geschulten SprecherInnen gutgeheißen, legitimiert und weißgewaschen werden ebenso, wie die Bemühungen des israelischen Staates in und außerhalb Israel wissenschaftliche Konferenzen, Kulturveranstaltungen, Filmprojekte und Events zu sponsern und prominente Persönlichkeiten dafür zu gewinnen. Das offizielle Israel investiert viel, um sein Image als pluralistisches, offenes, liberales und kultiviertes Land aufrecht zu erhalten. So berichtet beispielsweise die weltbekannte irische Sängerin Sinead O’Connor, die ihren geplanten Auftritt in Israel nun absagte, dass sie die 10fache Gage für ihren Auftritt in Israel angeboten bekommen hatte. Denn jede politisch motivierte Absage von Kulturschaffenden oder WissenschafterInnen, die sich dem Boykottaufruf anschließen, macht der israelischen PR-Strategie einen Strich durch die Rechnung.
Mittels Whitewashing soll die Weltöffentlichkeit einerseits von der Realität der Besatzung, dem Krieg,der rassistischen Diskriminierung und Apartheid in Israel abgelenkt, andererseits soll damit der drohenden Isolation Israels als Besatzerstaatent gegengewirkt werden. Unter dem Sand und der lauten Party-Musik des Tel Aviv Beachs in Wien soll das Unrecht in Palästina begraben werden.
Rund 25 AktivistInnen protestierten bei dieser polizeilich angemeldeten, jedoch öffentlich nicht angekündigten Aktion gegenüber des Tel Aviv Beachs und auf beiden Seiten des Tel Aviv Beachs selbst, verteilten Flugblätter und machten mit Sprechchören gegen das Unrecht aufmerksam. In einem kurzen Gespräch mit der Betreiberin des Tel Aviv Beachs, Frau Haya Molcho, erklärten wir ihr unseren Standpunkt: Die Boycott-Divestment-and-Sanctions-Bewegung (BDS) richtet sich nicht gegen israelische und/oder jüdische Kultur-, Fest- und sonstige Veranstaltungen oder Unternehmen. Ziel der Kritik und des Aufrufes zum Boykott sind ausschließlich jene Einrichtungen und Aktionen, deren programmatische Ausrichtung unmittelbar mit der israelischen Staatspolitik in Verbindung steht und damit Teil einer „Weißwaschung“ der israelischen Besatzung und Kriegsverbrechen sind. Als ein Projekt, das anlässlich des 100-jährigen Bestehens von Tel Aviv in Kooperation zwischen der israelischen Botschaft und der Stadt Wien lanciertes wurde, fällt der „Tel Aviv Beach“ klarerweise in diese Kategorie einer propagandistischen Legitimierung israelischer Staatspolitik.
Die Flugblätter zu dieser Aktion sprachen unmittelbar die BesucherInnen an und machten sie darauf aufmerksam an welcher PR-Aktion der israelischen Staatspolitik sie bewusst oder unbewusst teilnehmen. Viele Partygäste lasen sich das Flugblatt durch, einige blieben gleichgültig, andere machten noch auf dem Weg zum Tel Aviv Beach kehrt und schlossen sich damit dem Boykott an. Die weltweite BDS-Kampagne ist ein effektives, legitimes und friedliches Mittel der internationalen Zivilgesellschaft, das dazu auffordert, in Anbetracht des Versagens der offiziellen internationalen Politik, aktiv zu werden. Inspiriert vom Kampf der SüdafrikanerInnen gegen die Apartheid, und im Sinne der internationalen Solidarität, moralischer Standfestigkeit und des Widerstands gegen Ungerechtigkeit und Unterdrückung, ruft die BDS-Bewegungalle internationale Organisationen und alle Menschen mit Gewissen auf der ganzen Welt dazu auf, weitgreifend Boykott und Desinvestitionsmaßnahmen gegen Israel durchzusetzen, ähnlich der Maßnahmen gegen Südafrika während derApartheid. Lassen wir es nicht zu, dass die israelische Regierung durch offiziell geförderte Kulturprogramme und Events vom Krieg und von der Apartheid gegen die Bevölkerung Palästinas ablenkt.
ALLE VERANSTALTUNGEN UND PROJEKTE, DIE OFFIZIELLE UNTERSTÜTZUNG SEITENS DER ISRAELISCHEN REGIERUNG ERHALTEN, SOLLTEN BOYKOTTIERT WERDEN, bis Israel seiner Verpflichtung nachkommt, den PalästinenserInnen das unveräußerliche Recht auf Selbstbestimmung
zuzugestehen, und zur Gänze den Maßstäben internationalen Rechts entspricht, indem es:
1) Die Besetzung und Kolonisation annektierten Landes beendet und die illegale Mauer abreißt;
2) Das Grundrecht der palästinensischen BürgerInnen Israels auf völlige Gleichheit anerkennt; und
3) Die Rechte der palästinensischen Flüchtlinge, in ihre Heimat und zu ihrem Eigentum zurückzukehren, wie es in der UN Resolution 194 vereinbart wurde, respektiert, schützt und fördert.
Von den BetreiberInnendes „Tel Aviv Beachs“ in Wien erwarten wir
– Ein klares Bekenntnis dazu, dass die „weiße Stadt“ Tel Aviv auch eine palästinensische Geschichte hat und auf den Ruinen palästinensischer Dörfer errichtet wurde.
– Faire Produkte! Offenlegung, woher die Produkte und Zutaten „israelischer Spezialitäten“ bezogen werden, die laut Angaben der Firma „Neni“ beispielsweise von „einer Familie in den besetzten Gebieten“ hergestellt werden (Die Presse, 15.01.2014), sowie klares Bekenntnis zu den arabischen Ursprüngen vieler „israelischer“ Delikatessen und Gaumenfreuden.