Bericht vom 15.1.2020 von der Gruppe Gaza 2020 Breaking the Siege:
Laufende Verhaftungen am Grenzzaun zu Gaza
Original report in English below!
Eine internationale Delegation von AktivistInnen wurde gestern Morgen von der israelischen Polizei verhaftet, als sie versucht hatten, den Zaun der Gaza-Barriere zu durchschneiden und die Belagerung zu durchbrechen.
Die Gruppe „Gaza 2020 Breaking the Siege”, der die finnische Politikerin Anna Kontula angehört, fordert die internationale Gemeinschaft auf, ihr Schweigen zur humanitären Krise in Gaza die eine direkte Folge der 13-jährigen israelischen Blockade ist, zu beenden Frau Kontula, Soziologin und seit 2011 Mitglied des finnischen Parlaments, wurde zusammen mit britischen, österreichischen und dänischen Aktivisten am 14. Januar um 7 Uhr morgens (GMT) auf dem Weg nach Gaza verhaftet. Sie wurden über 10 Stunden lang auf der Polizeiwache von Ofakim im Süden Israels festgehalten und verhört. Den AktivistInnen wurde von Beamten erklärt, dass die Geheimdienste durch das Abhören ihrer Telefonate von der Aktion gewusst hätten.
Später wurden sie gegen 19:40 Uhr (GMT) freigelassen, durften aber den Süden Israels nicht mehr betreten. Zwei Aktivisten wurden auch am Donnerstag, den 9. Januar, am Gaza-Zaun verhaftet. Die zwei wurden in das Gefängnis von Ofakim gebracht und über Nacht festgehalten. Sie wurden am nächsten Morgen freigelassen, aber die Polizei weigerte sich, ihre Telefone und Pässe zurückzugeben.
In beiden Fällen hatten die Aktivisten die Absicht, den befestigten Grenzzaun zu durchschneiden und in den Gazastreifen einzudringen, in einer energischen, aber symbolischen Aktion, um ein sofortiges Ende der israelischen Land-, See- und Luftblockade, die 2007 begann und bis heute andauert, zu fordern.
Gaza2020: Der beispiellose Versuch, die Belagerung zu durchbrechen, ist Teil einer internationalen Bewegung, um die Belagerung des Streifens zu durchbrechen, inspiriert von der Free Gaza-Bewegung, die die israelische Seeblockade herausgefordert hat, indem sie Dutzende von Booten mit Hilfsgütern nach Gaza schickte.
Innerhalb von nur 13 Jahren wurde der Gazastreifen durch die Blockade praktisch unbewohnbar gemacht. Seine fast zwei Millionen EinwohnerInnen leiden unter chronischem Mangel an Lebensmitteln, Wasser und medizinischer Versorgung, rationierter Energieversorgung, eingeschränktem Zugang zu Medizin, zunehmender Wüstenbildung, schwerer Wasser- und Luftverschmutzung, Überbevölkerung und israelischen Luftangriffen und militärischen Übergriffen.
Die rasche Zerstörung des Gaza-Streifens war völlig vorhersehbar. Die UNO sagte 2012 voraus, dass der Streifen bis 2020 unbewohnbar werden würde. 96% des Grundwassers sind ungenießbar, 50% der Gazaer sind arbeitslos und ein Fünftel der Häuser sind sechs Jahre nach der israelischen Invasion von 2014 immer noch unbenutzbar. Es wird erwartet, dass sich die katastrophale Situation deutlich verschlechtern wird, da die israelische Regierung keine Anzeichen für eine Aufhebung der Blockade oder die Unterbindung wahlloser tödlicher Angriffe gezeigt hat und nun dabei ist, eine weitere Mauer um Gaza zu bauen. Die neue Barriere wird 6 Meter hoch sein und tief unter die Erde reichen und Gaza noch weiter isolieren. Im September berichteten israelische Medien, dass die Mauer zu 70% fertig gestellt ist.
Seit dem 30. März 2018 versammeln sich wöchentlich Tausende von Demonstranten an der israelischen Barriere, die den Gazastreifen von dem historischen Land trennt, das seit 1948 von Israel eingenommen wurde. Die DemonstrantInnen des Great Return March fordern sowohl ein Ende der israelischen Belagerung als auch das Recht auf Rückkehr der Flüchtlinge, die von den israelischen Streitkräften 1948 und 1967 aus ihren Häusern vertrieben wurden. Die israelischen Streitkräfte haben 215 Teilnehmer an diesen Protesten getötet, darunter 47 Kinder. Trotzdem weigert sich die internationale Gemeinschaft immer noch, Maßnahmen zu ergreifen, um Israel unter Druck zu setzen, die Belagerung aufzuheben und die künstlich geschaffene humanitäre Krise in Gaza zu beenden.
Die Menschen in Gaza können nicht ein weiteres Jahr unter Belagerung leben. Es ist nicht länger eine Frage der Zeit, die abläuft. Die Zeit ist bereits abgelaufen.
Gaza2020: Breaking the Siege sagte: “Die gestrige Aktion war der erste Versuch, die Belagerung zu brechen, in Solidarität mit den Menschen in Gaza. Wir wollen, dass die Gazaer wissen, dass wir nicht aufgeben werden, dass wir uns weiterhin dieser illegalen und barbarischen Belagerung unschuldiger Menschen widersetzen werden”.
Updates und weitere Informationen werden regelmäßig auf Twitter, Youtube , Instagram und Facebook von Gaza2020: Breaking the Siege gepostet.
Anna Kontula, Abgeordnete im finnischen Parlament und Soziologin, sagte: “Ich nehme an der Aktion teil, weil die Situation in Gaza schrecklich ist und Aufmerksamkeit in der Welt braucht. Während des letzten Jahrzehnts hat die illegale Besatzungspolitik die humanitäre Krise in Gaza verschärft. Jetzt baut Israel eine Mauer um den Gazastreifen. Wenn sie fertig ist, werden zwei Millionen Menschen – die Hälfte davon Kinder – völlig eingeschlossen sein. Es ist wie ein Gefängnis, außer dass in meinem Land die Gefangenen mehr Nahrung und eine bessere Gesundheitsversorgung haben als die Kinder in Gaza, und auch eines Tages wieder freikommen.“
Britische Staatsbürgerin, die es vorzieht, als Julia Lister, 26, Lehrerin und Fotografin, genannt zu werden, dazu: “In welcher Welt kann eine militärische Besatzungsmacht fast 2 Millionen Menschen (70% davon sind Flüchtlinge) in einem 360 km langen Freiluftgefängnis einsperren, auf unbewaffnete ZivilistInnen, JournalistInnen und SanitäterInnen zielen und die Häuser von Kindern bombardieren, während sie behauptet, ihr Staat sei die ‘einzige Demokratie im Nahen Osten’ mit der ‘moralischsten Armee der Welt’. Die UNO, Regierungen weltweit und unzählige internationale Menschenrechtsorganisationen verurteilen Israel routinemäßig, aber das scheint nicht genug zu sein: nichts ändert sich und die Menschen in Gaza leiden weiterhin”.
Die österreichische Staatsbürgerin Lisa Duscheck, 28, die als Unternehmerin und Aktivistin in mehreren Organisationen in ihrem Heimatland, sagte dazu: “Was ich erlebt habe, wenn ich mit Menschen in meinem Land und in anderen Ländern spreche, ist entweder völlige Ahnungslosigkeit oder jede Menge an Ausreden oder Rechtfertigungen für diese humanitären Krise, für etwas, das nicht gerechtfertigt werden sollte und kann. Deshalb gehöre ich zu einer internationalen Delegation, die die Belagerung des Gazastreifens durchbrechen will, indem sie den Zaun durchschneidet.”
Der dänische Staatsbürger Mads Gram, Kindergärtner und Dichter, dazu: “Seit 2018 hat sich die Zivilbevölkerung von Gaza mobilisiert und ist in großer Zahl zu den Zäunen um Gaza marschiert; sie hat ein Ende der israelischen Belagerung und das Recht auf Rückkehr gefordert… sie sind mit unglaublicher Gewalt vom israelischen Militär konfrontiert worden und haben ihr Leben riskiert. Es ist an der Zeit, dass sich die Welt solidarisch zeigt. Ich schließe mich dieser Aktion an, um den Kampf der Menschen in Gaza und ganz Palästina zu unterstützen und ihnen zu zeigen, dass jemand bereit ist, für sie einzustehen”.
Botschaften von Aktivisten aus Gaza:
Haidar Eid, ein BDS-Aktivist und Akademiker aus Gaza: “Die lähmende israelische Belagerung hat alle Lebensbereiche erschüttert. Bei dieser Belagerung geht es darum, die Gazaer loszuwerden, da die meisten von ihnen Flüchtlinge sind, die ihr international festgelegtes Rückkehrrecht nicht vergessen haben. Machen Sie ihnen das Leben so hart wie möglich, damit sie entweder an Hunger und Krankheit sterben oder auf der Suche nach einem besseren Leben woanders hingehen. Deshalb ist diese Aktion so wichtig, da die internationale Gemeinschaft versagt hat, indem sie absolut nichts getan hat. Es ist den einfachen Menschen mit Gewissen überlassen, die Belagerung zu durchbrechen.”
Ahmed Abu Artema, ein Journalist und Aktivist aus Gaza: “Mit dem Beginn dieses neuen Jahres ist Gaza nach den Berichten der UNO offiziell ein unbewohnbarer Ort geworden. Israel hat in den letzten 13 Jahren systematisch daran gearbeitet, die Lebensbedingungen von 2,2 Millionen PalästinenserInnen, die an diesem engen und belagerten Ort leben, zu untergraben. Gaza braucht die Anstrengungen aller Menschen, die an Gerechtigkeit und Freiheit für alle glauben, um Druck gegen den Staat der israelischen Apartheid auszuüben, damit die Politik der Kollektivstrafen gegen die Zivilbevölkerung beendet wird. Wir schätzen diese Aktion, die darauf abzielt, die Aufmerksamkeit auf die Menschen zu lenken, die leiden und gleichzeitig für die Freiheit kämpfen”.
Für weitere Informationen und um Interviews mit den Delegierten zu vereinbaren, kontaktieren Sie bitte:
Englisch: +44 786 4720511 +49 178 8585728 Spanisch: +49 178 8585728 Chinesisch: +49 178 8585728
Hinweise und Links:
Die Blockade des Gaza-Streifens (über Land, Luft und See) ist eine Verweigerung der grundlegenden Menschenrechte, die gegen das Völkerrecht verstößt und auf eine Kollektivstrafe hinausläuft, wie die UNO erklärt hat. Sie schränkt die Ein- und Ausfuhren sowie die Bewegungsfreiheit der Menschen in und aus dem Gaza-Streifen und den Zugang zu landwirtschaftlichen Flächen und Fischgewässern stark ein.
https://pchrgaza.org/en/?cat=64
● UN Resolution Resolution 1860 (2009), das fordert die Aufhebung der Blockade undZugang zu “humanitärer Hilfe”: https://unispal.un.org/DPA/DPR/unispal.nsf/0/96514396E8389A2C852575390051D574
● UNOCHA: Gaza Strip electricity supply
https://www.ochaopt.org/page/gaza-strip-electricity-supply
● UNOCHA: Humanitarian situation in the Gaza Strip Fast facts – OCHA factsheet
https://www.un.org/unispal/humanitarian-situation-in-the-gaza-strip-fast-facts-ocha-factsheet/
● UNOCHA: The Gaza Strip: The Humanitarian Impact of the Blockade
https://www.ochaopt.org/content/gaza-strip-humanitarian-impact-blockade-november-2016
● UN: Gaza may be “unlivable by 2020”
https://www.un.org/unispal/document/gaza-unliveable-un-special-rapporteur-for-the-situation-of-human-rights-in-the-opt-tells-third-committee-press-release-excerpts
#Gaza2020 #BreakingTheSiege
The whole report in English here: