Nach Parlament-Absage wegen Wiesenthal-Center Kritik: Hedy Epstein als Rednerin auf der IAW 2016

Foto von Andreas Thum; https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/b/b0/HedyEpstein.png

Wien (OTS) – Die in den USA lebende, deutsche Holocaust-Überlebende und Menschenrechts-Aktivistin Hedy Epstein sollte ursprünglich am 8. März im Wiener Parlament an einer Veranstaltung über Frauenschicksale im Zweiten Weltkrieg teilnehmen. 1939 gelangte sie mit einem „Kindertransport“ nach England, ihre Eltern wurden in Auschwitz ermordet. Nach fadenscheiniger Kritik durch das Simon-Wiesenthal-Center und der IKG Wien wurde die 91jährige, die sich u.a. auch für Solidarität mit den PalästinenserInnen einsetzt, ausgeladen und die Veranstaltung abgesagt.

Sie sei – wird Efraim Zuroff vom Wiesenthal-Center zitiert – keine „klassische Holocaust-Überlebende“. Oskar Deutsch, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde, wurde vorgestern dazu mit den Worten „damit ist die Sache aus der Welt geschafft“ zitiert. Dass ausgerechnet eine Überlebende der Shoah vom österreichischen Parlament ausgeladen wird, ist ein unglaublicher Skandal, konnte man gestern in diversen Postings in den Social Media Foren lesen.

BDS Austria, Teil der internationalen Kampagne für ein Ende der israelischen Apartheid und Besatzung, lädt die junggebliebene Aktivistin als Rednerin auf der Kundgebung am 11.03.2016 am Stephansplatz im Rahmen der Israeli Apartheid Week 2016 ein. Unbequeme Kritik lässt sich nicht totschweigen oder durch politischen Druck aus der Welt schaffen.

Link zur APA-Pressemitteilung: http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20160223_OTS0122/nach-parlament-absage-wegen-wiesenthal-center-kritik-hedy-epstein-als-rednerin-auf-der-iaw-2016

Hintergrundinformation

Hedy Epstein, Jahrgang 1924, Holocaust-Überlebende. Ihr Vater wurde während der Novemberpogrome 1938 für vier Wochen in das Konzentrationslager Dachau gebracht. Die Eltern versuchten verzweifelt, Deutschland zu verlassen, doch sie scheiterten an den Einreisebedingungen verschiedener Länder, da niemand für sie bürgen wollte. Nachdem die Familie es geschafft hatte, Hedy 1939 mit einem Kindertransport nach England zu schicken, wurden die restlichen Familienangehörigen 1940 in das Konzentrationslager Camp de Gurs nach Frankreich deportiert und 1942 nach Auschwitz. Die letzten Lebenszeichen ihrer Eltern bekam sie im selben Jahr. Jahrelang engagierte sich Hedy in den USA in einer Rechtsanwaltskanzlei für Opfer von Diskriminierungen und für die Rechte rassistisch ausgegrenzter Menschen. In den 1970er Jahren betreute sie Vietnamkriegs-Deserteure rechtlich. Ende Dezember 2009 beteiligte sie sich mit etwa 1400 Aktivisten aus aller Welt am „Gaza Freedom March“ und trat in Ägypten in den Hungerstreik, da den Aktivisten die Einreise über Rafah in den Gazastreifen verweigert wurde; es war ihr dritter Versuch nach Gaza zu gelangen. Beginnend im Jahr 2003 reiste sie mehrfach ins Westjordanland um sich für die Rechte der Palästinenser einzusetzen. Im Mai 2010 unterstützte sie den internationalen Hilfskonvoi von Free Gaza Movement, dessen Konvoi vom israelischen Militär illegal aufgebracht wurde.

Hedy Epstein engagiert sich bis heute politisch wie sozial u.a. in der Antirassismus- und Friedensbewegung und berichtet auf zahlreichen Veranstaltungen von ihrem Leben und erinnert an die Judenverfolgung durch die Nationalsozialisten.

Am 8. März sollte sie bei einer Veranstaltung im Parlament anlässlich des Internationalen Frauentags („In Großmutters Worten … – Frauenschicksale im Zweiten Weltkrieg“) sprechen. Das Simon-Wiesenthal-Zentrum und die IKG (Israelitische Kultusgemeinde) in Österreich protestierten gegen die Teilnahme der Holocaust-Überlebenden, denn sie sei – so Efraim Zuroff vom Simon-Wiesenthal-Zentrum gegenüber der „Jerusalem Post“ – „keine Überlebende im klassischen Sinn“, sondern „eine notorische Antizionistin, die keine Gelegenheit auslässt, ihre Biografie auszunutzen, um Israel anzugreifen“, kritisierte .

Inwiefern ist sie keine „Überlebende“ im „klassischen Sinn“? Laut Alexandra Hahlweg, Redaktionsleiterin der Zeitung „Die Jüdische“ umfasst der Begriff Holocaust-Überlebende: „solche, die in Ghettos eingesperrt waren, die als Zwangsarbeiter in Arbeitslager und/oder in Konzentrationalager verschleppt wurden, solche, die im Versteck oder unter falscher Identität überlebten, Flüchtlinge, die ihre Familien verlassen mussten, die mit Partisanen kämpften, die in Folge eines „Kindertransportes“ weggeschickt wurden usw. All diese Menschen erlitten Traumata, indem sie in einem Zustand ständiger Bedrohung oder Tötung lebten, zahlreiche Verluste erleiden mussten, oder unter dem Schatten der Holocaustverfolgung leben mussten.“ (aus einer Antwort auf eine Anfrage per E-Mail, 19.03.2012). Offenbar hat sich die Definition inzwischen erweitert: und NUR solche, die Israels Apartheidsystem nicht in Frage stellen.

Mit der Absage sei „die Sache aus der Welt geschafft“, erklärte der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde, Oskar Deutsch, gegenüber der APA (APA, 21.2.2016).

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