Das Sprech- und Aufenthaltsverbot für Rasmea Odeh ist eines Rechtstaates nicht würdig

In einem „Rechtsstaat“ genügt leider oft schon ein unbegründeter Vorwurf, um kritische Stimmen mundtot zu machen. Das zeigt auch das restriktive Vorgehen gegen Rasmea Odeh. Die 72 jährige Palästinenserin hätte vergangenen Freitag am 15.3.2019 in Berlin einen Vortrag zum Thema „Frauen im Befreiungskampf“ halten sollen. Nun hat ihr die Berliner Senatsverwaltung für Inneres und Sport ein „politisches Betätigungsverbot“ erteilt und ihr das Schengen-Visum entzogen.[1]

Rasmea Odeh, eine Frau, die ihr Leben lang ihre Stimme gegen diverse Ungerechtigkeiten erhoben hat, soll durch dieses Vorgehen zum Schweigen gebracht werden. Als Rasmea den Ort der geplanten Veranstaltung am Waterloo-Ufer betreten wollte, wurden die etwa 150 solidarischen VeranstaltungsteilnehmerInnen ZeugInnen einer Einschränkung der Meinungsfreiheit, wie sie eines Rechtsstaates nicht würdig ist. In Gegenwart von lediglich etwa 15 zionistischen DemonstrantInnen mit Israel-Fahnen wurde Rasmea von Dutzenden Polizeikräften umringt. Die gefeierte Bürgerrechtsaktivistin des Arab American Action Networks (AAAN) in Chicago wurde in Berlin wie eine Staatsfeindin behandelt, man überreichte ihr die Ausweisungsdokumente und trieb sie durch die halbe Stadt.[2]

Für Rasmea ist dies bereits die zweite aufenthaltsbeendigende Maßnahme innerhalb kurzer Zeit. Die gebürtige Palästinenserin hat ihre Heimat bereits zwei Mal verloren. Erst im Herbst 2018 wurde ihr die US-Amerikanische Staatsbürgerschaft aberkannt.[3] Begründet wurde die Aberkennung mit der Tatsache, dass Rasmea vor mehr als 20 Jahren gegenüber der Einwanderungsbehörde falsche Angaben gemacht hatte. Sie hatte nicht angegeben, dass sie 1970 in Israel zu lebenslanger Haft verurteilt worden war und erst nach zehnjähriger Haft im Rahmen eines Gefangenenaustausches zwischen Israel und der PFLP frei kam. Bis heute ist umstritten, ob Rasmea Odeh an dem Attentat beteiligt war, das 1969 in einem Supermarkt in Tel-Aviv ausgeführt wurde und zwei Menschenleben gefordert hatte und für das sie verurteilt worden war.

In einem jahrelangen Gerichtsprozess in den USA wurde sie vom „Committee to Stop FBI Repression” und dem US Palestinian Community Network vertreten. Sie versuchte darzulegen, dass ihr Geständnis vor dem israelisches Militärgericht vor allem aufgrund von Folter zustande gekommen war und sie die US-Behörden aufgrund ihrer Traumatisierung nicht von der Verurteilung in Israel in Kenntnis gesetzt hatte.[4] Doch das Gericht ließ diesen Ausführungen keinen Raum. Auch die Tatsache, dass in israelischen Gefängnissen bis heute gefoltert wird und Israels Militärgerichte laut Human Rights Watch eine Verurteilungsquote von beinahe 100 Prozent aufweisen, wurde ignoriert.[5]

Eines wird anhand der Behandlung Rasmeas jedoch deutlich: In westlichen demokratischen Staaten geht es mittlerweile oft weniger darum, wer tatsächlich im Recht ist, sondern vielmehr darum, welche Information vom Gericht als relevant erachtet werden und welche nicht. Es genügt der bloße Vorwurf, dass Rasmea Odeh sich an einem terroristischem Akt beteiligt hat. Die Behörden kümmert es wenig, in welchem politischen und juristischen Kontext die Verurteilung in Israel zustande kam. Um keine öffentliche Kritik am israelischen Apartheidstaat laut werden zu lassen, setzen selbsternannte „linke“ UnterstützerInnen des Apartheidstaates im deutschsprachigen Raum die BetreiberInnen von Veranstaltungsorten unter Druck, indem sie damit drohen für den Entzug öffentlicher Fördergelder zu sorgen. Dass dieser Druck neben Grünen, sozialdemokratischen und anderen selbsternannten Linken auch von rechten Parteien wie der deutschen AFD[6]oder der österreichischen FPÖ (wie im Fall der Israeli Apartheid Week in Wien 2016)[7] kommt, zeigt, dass es hier weniger darum geht, Antisemitismus zu bekämpfen, sondern eher darum, den israelischen Siedlerkolonialismus zu verteidigen.

Sämtliche deutsche Medien blenden in ihrer Berichterstattung wesentliche Inhalte in der Causa aus. Sie stellen Rasmea einseitig als Terroristin dar, die „antisemitische Inhalte“ verbreitet. [8] Dabei wird in keinem der Artikel auch nur eine antisemitische Aussage von Rasmea genannt. Dass sie eine große Anzahl renommierter BürgerrechtsaktivistInnen wie Angela Davis sowie renommierte Menschenrechtsorganisationen wie Jewish Voice for Peace hinter sich hat, blenden die meisten westlichen Medien bewusst oder unbewusst aus. Die lange Liste ihrer UnterstützerInnen findet sich hier: http://justice4rasmea.org/defense-committee/

Der Versuch, Rasmea mundtot zu machen, ist kein Einzelfall, sondern exemplarisch und richtungsweisend für eine Zeit, in der aus „Rechtsstaaten“ zunehmend Unrechtstaaten werden. Überall auf der Welt werden wir ZeugInnen davon, wie terroristische und antisemitische Bedrohungen instrumentalisiert und konstruiert werden, um wesentliche Grundrechte wie Meinungsfreiheit, Versammlungsrecht oder Privatsphäre einzuschränken. Das ist eine Entwicklung, die alle BürgerInnen betrifft.

Wir von BDS Austria verurteilen das Vorgehen der US-Amerikanischen und der Deutschen Behörden vehement. Ein Staat, der das Aufenthaltsrecht dazu instrumentalisiert, kritische BürgerInnen zum Schweigen zu bringen, ist ein Staat, der sich in Richtung Diktatur bewegt.

Berthold Brecht soll einmal gesagt haben: „Wo Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht“. Wir müssen uns dieses Zitat zu Herzen nehmen. Seien wir solidarisch mit Rasmea, nehmen wir uns ein Beispiel an ihrem Widerstand und fordern wir unsere Grundrechte ein, solange es noch geht.

Mit solidarischen Grüßen aus Wien,

BDS Austria

[1] https://www.berlin.de/sen/inneres/presse/pressemitteilungen/2019/pressemitteilung.793082.php

[2] https://samidoun.net/2019/03/last-night-in-berlin-the-attack-on-rasmea-odeh-is-an-attack-on-palestine/

[3] https://www.chicagoreporter.com/rasmea-odeh-deported-but-not-defeated/

[4] http://justice4rasmea.org/

[5] https://www.hrw.org/world-report/2019/country-chapters/israel/palestine

[6] Wie Samidoun berichtet, siehe Fußnote 2.

[7] https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20160307_OTS0203/stellungnahme-des-vorstandes-des-vereins-kulturzentrum-spittelberg-amerlinghaus

[8] Siehe beispielsweise https://www.bz-berlin.de/berlin/friedrichshain-kreuzberg/warum-darf-diese-terroristin-in-berlin-auftreten sowie https://www.tagesspiegel.de/themen/reportage/terroristin-rasmea-odeh-sprengsatz-des-antisemitismus-in-berlin/24105198.html

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