Das enge Korsett der Demokratie oder – wer sich nicht bewegt, spürt seine Fesseln nicht.

Die „Turbulenzen“ (um den Euphemismus weiterhin zu verwenden) rund um die diesjährige Israeli Apartheid Week reißen nicht ab.

Einen Tag vor dem geplanten Vortrag der palästinensischen Rechtsanwältin Salma Karmi-Ayyoub über „Apartheid und seine Anwendbarkeit auf Israel/Palästina” gehen die Einschüchterungsversuche weiter. Der ursprünglich im WUK, dann im Arcotel Kaiserwasser und zuletzt im Café Rathaus geplante Vortrag kann nun doch nicht im Café Rathaus stattfinden. Der Pächter des Wiener Traditionscafés erhielt unzählige Anrufe und E-Mails, in denen ihm angeblich eine „mediale Kampagne“ angedroht wurde, die ihn und sein Geschäft massiv schädigen würde. Manche Anrufer sollen ihm sogar mit eingeschlagenen Fensterscheiben gedroht haben. Die Drohanrufe hatten Wirkung, die Einschüchterung gelang so effektiv, dass der Pächter zuletzt selbst eine angebotene Anzeige gegen Unbekannt wegen Nötigung, Ruf- und Kreditschädigung durch einen Beamten des Verfassungsschutzes, sowie juristischen Beistand durch BDS Austria ablehnte.

Obwohl wir im Vorfeld den Pächter über den politischen Druck, die gewaltfreien und menschenrechtlichen Ziele und Handlungsprinzipien von BDS informiert hatten, scheint dieser die Dimension und die Wut der ApartheidverteidigerInnen gegenüber BDS und BDS Austria in der Auseinandersetzung völlig unterschätzt zu haben. Die an gefährliche Drohung und Nötigung grenzenden – wenn diese Tatbestände nicht sogar längst erfüllenden – Einschüchterungen führten in letzter Instanz dazu, dass der Pächter für uns telefonisch nicht mehr erreichbar war. Auch gegenüber der Polizei (Verfassungsschutz) schwor er, von der Bereitschaft, BDS Austria Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen, ab und leugnete, gewusst zu haben, worum es bei der Veranstaltung und bei BDS gehe.

Wer es nicht erlebt, kann es nicht glauben. Können Eingeschüchterte sprechen?

Angesichts des Surrealismus der Vorfälle sollte man sich noch einmal vergegenwärtigen, was hier um jeden Preis verhindert werden soll: Ein Vortrag (mit anschließender Publikumsdiskussion) einer Anwältin über die völkerrechtliche Zulässigkeit des Apartheidbegriffs in Bezug auf Israel soll öffentlich nicht stattfinden können.

Exakt einen Monat nachdem die israelische Justizministern Ayelet Shaked,

–          verantwortlich für Hauszerstörungen, Apartheidjustiz, Folter an Gefangenen, u.v.m. bis hin zu ihrem öffentlichen Gutheißen eines Genozid-Aufrufs an den PalästinenserInnen,

–          öffentlich und auf Einladung der Universität Wien ihren Vortrag am Juridicum abhielt

–          trotz internationaler Proteste (1), unterstützt u.a. von G. C. Spivak, Judith Butler und Moshe Zuckermann,

–          und von der Universität Wien schließlich mit Meinungsfreiheit und Zulässigkeit kontroverser Standpunkte gerechtfertigt (2),

darf eine Veranstaltung zum Thema Apartheid in Israel nicht stattfinden. Nicht öffentlich. Nicht im WUK. Nicht im kommerziell geführten Arcotel Kaiserwasser. Nicht im Café Rathaus. Nirgendwo, wo die VerteidigerInnen der Politik Shakeds die Möglichkeit haben, durch Drohanrufe und Einschüchterungen eine Absage zu erzwingen.

Der Vortrag der palästinensischen Rechtsanwältin Salma Karmi-Ayyoub über „Apartheid und seine Anwendbarkeit auf Israel/Palästina” im Rahmen der diesjährigen Israeli Apartheid Week von BDS Austria findet dennoch statt. Im Dar al Janub – Zentrum interkultureller Begegnung – inklusive live-Stream auf BDS facebook. Stay tuned.

(1)    https://openlettervienna.wordpress.com/

(2)    https://twitter.com/univienna/status/831824383744290816

Siehe auch einleitende Worte von Univ. Prof. Dr. Friedrich Rüffler, stellvertretender Dekan der Juristischen Fakultät: https://www.youtube.com/watch?v=_yC0Oj

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