Protest gegen die Veranstaltung „David Ben Gurion“ vor der Diplomatischen Akademie Wien, 2. Dezember 2015

Wir, BDS Austria, protestieren gegen die heutige Veranstaltung „David Ben Gurion – mit Prof. Anita Shapira von The Center for Israel Studies und der Diplomatischen Akademie Wien“.

Wir bezweifeln, dass die OrganisatorInnen und Vortragende die Expertise und demokratische Grundhaltung besitzen, offen und kritisch über die Person David Ben Gurion zu referieren. Die Veranstaltung dient weniger dem wissenschaftlichen Austausch und der politischen Debatte, als mehr der wiederholten Verbreitung von rassistischen und zionistischen Mythen.

1. David Ben Gurion:

Der in Polen geborene David Grün wanderte 1906 nach Palästina aus. Im Gepäck hatte er nur wenig. Allerdings besaß er schon damals die gerade in Europa aufgekommene Idee eines nationalen Sozialismus mit jüdischer Prägung für Palästina – dem sogenannten Zionismus. Kaum angekommen begann er diese Ideologie in die Tat umzusetzen. Er baute vor allem militärische Strukturen wie z.B. dem Hashomer, später die Haganah und die rassistische Gewerkschaft Histadrut mit auf bzw. war in ihnen tätig. Von 1948-1953 und von 1955-1963 hielt er das politische Amt des israelischen Premierministers.

Ben Gurion wusste wie kein anderer seine Verbrechen durch Umdeutung der Geschichte reinzuwaschen. Dazu der israelische Journalist Gideon Levy: „Ben Gurions Image war noch nie beschädigt. Auch nachdem die Nakba aufgerollt wurde, auch nachdem die neuen Historiker Kriegsverbrechen im Jahr 1948 aufzeigten, auch als dann wir verstehen mussten, dass nicht alle Araber auf Befehl ihrer Führer flohen, auch selbst als wir erfuhren, dass wir nicht ‚ein paar gegen die Vielen‘ waren, und als die Ruinen der Dörfer unter den Wäldern des jüdischen Nationalfonds herausschauten, auch als die Wahrheit herauskam über die Vergeltungsoperationen und selbst als wir aufwuchsen und lernten zu verstehen, dass nicht alles, was sie uns in unserer Kindheit erzählt hatten, wahr war – Ben Gurion wurde so bewundert wie eh und je. Mit all der Wertschätzung seiner Größe, ist die Zeit gekommen, um seine dunklen Seiten zu prüfen. Die Zeit ist reif für ein neues Kapitel über B.G.“ (1)

2. Krieg und Universitäten in Israel

Die Universität Tel Aviv (TAU – Tel Aviv University) ist:
• ein führendes israelisches Militärforschungszentrum.
• ein Ort an dem das Management enge Verbindungen zum israelischen Militär hat.
• eine Institution, die bei der Vergabe von Studienplätzen diskriminiert, indem palästinensische Studierende benachteiligt werden und nicht zu allen Studiengängen Zugang haben.
• eine Einrichtung in der ehemalige israelische SoldatInnen gegenüber PalästinenserInnen bevorzugt werden.
• ein Standort an dem Waffentechnologien und deren strategischer Nutzen erforscht und entwickelt werden.
Zum Beispiel war die TAU im Dezember 2007, 17 Monate nach dem Libanon Krieg, (mit dem Vorsitzenden Yithak Ben-Israel) Gastgeber und Organisator einer Konferenz mit führenden Offizieren der israelischen Armee und Forschern der Waffenindustrie. Das Ziel war die Rolle von neuen Technologien in der Militärstrategie zu erheben. (2)

Die selbstdefinierte Rolle der TAU:
“In der rüden und taumelden Realität des Mittleren Ostens ist die Universität von Tel Avi eine federführende Institution in der Aufrechterhaltung des israelischen militärischen und technologischen Vorteils.“ (3)

Die bewusste Vernetzung und Verflechtung von Akademie und Militär erklärt TAU Professor Avraham Katzir wie folgt:

„Einer der Dinge der dem Staate Israels behilflich ist […] ist die Tatsache, dass jeder von uns sowohl Israelischer Bürger als auch Mitarbeiter im Militärumfeld ist […]. Ich bin Akademiker an der Universität und habe meinen Militärdienst absolviert. Darüber hinaus war ich über Jahre hinweg beim staatlichen Waffenhersteller RAFAEL beschäftigt. Alle diese Dinge spielen zusammen; wir helfen uns gegenseitig – etwas, dass woanders [auf der Welt] nicht passiert. Ich war in den USA und in Europa und dort gibt es einen Bruch zwischen solchen akademischen Workshops und der Armee; Die hassen die Armee! Ich glaube der Grund unseres Erfolges ist diese Zusammenarbeit, diese Unterstützung untereinander.“(4)

3. Ben Gurion ist tot – sein Geist ist die bittere Realität der PalästinenserInnen

Die Ziele des Plan Dalet, die im März 1948 an die Befehlshaber der Haganah ausgegeben wurden, beinhaltete die offensive und geplante Vertreibung der PalästinenserInnen aus einem von den Zionisten definierten Gebiet, das zukünftig den Staat Israel darstellen sollte. Es war die ethnische Säuberung Palästinas an der David Ben Gurion maßgeblich beteiligt war. Auch nach 1948 wurden die Vertreibungen im neu gegründeten Israel fortgeführt. Und auch hier war David Ben Gurion federführend beteiligt. 1953 befahl David Ben Gurion die Zerstörung von 50 Häusern in dem Dorf Kibiyeh.

Der Befehl der Operation Shoshana besagt klar:
„Hauszerstörungen und Verletzung der Bewohner sowie Vertreibung aus dem Dorf.“ […] „Angriff auf das Dorf, es ist temporäre Besatzung, Zerstörung und äußerste Verletzung der Leute“ (5)

Diese Vergangenheit ist bittere Realität der PalästinenserInnen in Jenin, Gaza und Al Khalil. Vertreibungen wie diese können heute, aufgrund internationaler Beobachtung, nicht mehr im großen Stil stattfinden. Die Intention aber, das Leben der PalästinenserInnen unmöglich zu machen, besteht nach wie vor.

Der Geist Ben Gurions existiert nicht nur in der israelischen Armee, sondern ist tief in der israelischen Gesellschaft verwurzelt. Als Beispiel, der folgenschwere Brandanschlag auf die Familie Dawabsheh aus dem Dorf Kfar Douma. Bei diesem Attentat wurde u.a. der 18 Monate alte Ali Saad lebendig verbrannt. Diese Gräueltat erfolgte nicht auf offiziellen Befehl der israelischen Armee, sondern von Extremisten – die jedoch kompromisslos von der israelischen Armee beschützt wurden / werden.

Die Diplomatische Akademie Wien sollte den wissenschaftlichen und politischen Diskurs fördern. Sie sollte jedoch keinesfalls rassistische Institutionen hofieren, deren militärische und rassistische Logik nicht im Stande ist eine Perspektive basierend auf Gerechtigkeit zu entwickeln.

BDS Austria, 2. Dezember 2015

(1) http://www.haaretz.com/misc/article-print-page/ben-gurion-s-dark-side.premium-1.526699?trailingPath=2.169%2C2.216%2C2.218%2C
(2) Electro‐OptikaB’SadehHaKravHa’Atidi (Electro‐OpticsintheBattlefieldoftheFuture),Science,TechnologyandSecurity  Workshopno.40,TelAvivUniversity,Dec.20th,2007.
(3) Übersetzt; (TelAvivUniversityReview,Winter2008‐9)
(4) Übersetzt; Avraham Katzir “FromTheLebanonWartotheBattlefieldoftheFuture”,presentationatElectro‐Optics…Op.Cit.
(5) Übersetzt; Benny Morris, Israels Border Wars 1949-1956

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