Antwort auf einen facebook-Beitrag der Basisgruppe Politikwissenschaften vom 13.08.2014

 15. August 2014

Liebe Bagru Powi,

vielen Dank für euren Beitrag auf bds.austria. Wir freuen uns, dass ihr damit einen Dialog mit euch ermöglicht und uns die Gelegenheit gebt, eure Ansichten und Sorgen zu diskutieren. Leider können wir unsere Antwort aufgrund eurer facebook-Einstellungen nicht direkt auf eurer Seite posten, sondern müssen euch auf diesem Weg antworten.

Bereits der Begleittext zu eurer Veranstaltung lässt aufhorchen. Das Bemühen um eine gerechte Friedenslösung des Nahostkonflikts wird von euch schon im ersten Satz mit dem nationalsozialistischen Menschheitsverbrechen (also mit der sogenannten „Endlösung der Judenfrage“) gleichgesetzt. Verstehen wir euch richtig, wenn wir aus eurem Text und dem Vortrag von Gerhard Scheit ableiten, dass sowohl die Forderung nach einer Zweistaatenlösung für Israel und Palästina, als auch der von manchen Expert_innen geforderte gemeinsame, demokratische Staat für Jüdinnen und Juden und Palästinenser_innen in euren Augen per se eine antisemitische Forderung ist, die – um euch zu zitieren – „nicht vordergründig“, aber offenbar hintergründig auf die Verfolgung und Ermordung von Jüdinnen und Juden hinausläuft? Dass im Weiteren die Berufung auf internationales Recht (mit anderen Worten, auf Völkerrecht und UN-Recht) eurer Ansicht nach nicht nur antisemitisch ist, sondern gleichzusetzen mit NS-Ideologie?

Bei eurem Einleitungstext bleibend: Ihr vergleicht die Forderung der internationalen BDS-Kampagne, der sich namhafte Einzelpersonen, Gewerkschaften, Universitätsverbände und Organisationen wie der südafrikanische Bischof Desmond Tutu, die Journalistin und Globalisierungskritikerin Naomi Klein, der israelische Universitätslektor Uri Davis, der israelische Aktivist Jeff Halper, der israelische Professor Neve Gordon, der israelische Historiker Ilan Pappé, die Friedensnobelpreisträgerin Mairead Maguire, der britische Schriftsteller John Berger, die indische Schriftstellerin und Aktivistin Arundhati Roy, der britische Filmregisseur Ken Loach, der britische theoretische Physiker und Astrophysiker Stephen Hawking, die deutsch-jüdische Publizistin Evelyn Hecht-Galinski, die U.S.-amerikanische Schriftstellerin Alice Walker, die israelische Bürgerrechtsbewegung ICAHD, die Organisation European Jews for a Just Peace (EJJP) und viele viele andere angeschlossen haben, mit dem verbrecherischen „Judenboykott“ des nationalsozialistischen Verbrecherstaates 1933?

Wir erachten eure Gleichsetzung der Verfolgung und Ermordung europäischer Juden und Jüdinnen, sowie des rassistischen Diskurses während der NS-Zeit mit den aktuellen Diskussionen über eine gerechte, friedliche und langfristige Lösung des Nahostkonflikts nicht nur respektlos gegenüber den Millionen Opfern des Nationalsozialismus, sondern auch als unermesslich ignorant gegenüber den historischen wie gegenwärtigen Gegebenheiten. Die weltweite BDS-Bewegung distanziert sich dabei in aller Schärfe und Deutlichkeit von jeglichem Antisemitismus und setzt sich – auch gemeinsam mit den Juden und Jüdinnen in ihren Reihen, darunter auch israelische – für eine Differenzierung zwischen Israel/Zionismus und Judentum/Jüdischsein ein.

Die BDS-Bewegung verfolgt eine legitime ökonomische und politische Strategie, deren Ziel nicht die von euch unterstellte Zerstörung des Staates Israel ist, was dieser – nur am Rande erwähnt – angesichts seiner rassistischen und mörderischen Politik gegenüber inneren und äußeren Feinden (vordergründig Palästinenerser_innen, aber auch kritische linke, insbesondere antizionistische Juden und Jüdinnen) auf bedrohliche Weise selbst in die Wege zu leiten scheint; BDS hat vielmehr zum Ziel, dass alle Bewohner_innen des historischen Palästina frei von rassistischer Diskriminierung und mit gleichen Rechten in ihrer Heimat leben können – und das gilt sowohl für muslimische, christliche und jüdische Palästinenser_innen als auch für jüdische Israelis. Tatsächlich ist es das Ziel der Anti-Apartheidbewegung BDS den Staat Israel dazu zu bewegen, den – von euch zu Recht als solchen bezeichneten – „besonderen Status“ aufzugeben: Den Status als ein Staat, von dem Noam Chomsky sinngemäß sagt: diesen als Apartheid zu bezeichnen, ist eine Verharmlosung. Kein Wunder, dass Gerhard Scheit in seinem Vortrag und seinen Werken das Völkerrecht und die UNO ins Fadenkreuz nimmt: Das palästinensische Rückkehrrecht ist schließlich auch in der Resolution 194 der UN-Generalversammlung am 11. Dezember 1948 verbrieft worden, die Zustimmung Israels zur Resolution 194 war eine Bedingung für die Aufnahme Israels in die Vereinten Nationen und wurde daher von Israel offiziell akzeptiert.

Wir sind überzeugt, dass die BDS-Bewegung weiter wachsen und ihre legitimen Ziele erreichen wird. Wir sind zugleich zuversichtlich, dass auch ihr in Zukunft nachvollziehen werdet können, dass Apartheid, Rassismus, Krieg und Besatzung dauerhaft keine Lösung sein können – für niemanden in der Region und damit auch nicht für Juden und Jüdinnen, die der Staat Israel zu schützen vorgibt.

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